Mittwoch, 28. März 2007

Die Strukturschwäche der Gruppentherapie


Yrvin D. Yalom beschreibt die Angst vor der Gruppe. Ein Grund nicht nur für Therapeuten, die Gruppentherapie zu vermeiden.
"Therapeuten, die nicht mit dem interaktionellen Ansatz arbeiten, geraten ins Schwimmen, werden unsicher und haben nicht das Selbstvertrauen desjenigen, der über eine grundlegende, kohärente Theorie und ein Repertoire entsprechender Strategien und Techniken verfügt." (Yalom, 2005, 44)
Doch nicht der einzelne Therapeut steht hier zur Diskussion, sondern der Stellenwert psychosozialer Gruppenarbeit im heutigen deutschen Gesundheitssystem.
1. Welchen Stellenwert wird der psychosozialen Gruppenarbeit zugeschrieben?
Welchen Stellenwert hat die die interaktionelle Arbeit in Gruppen? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es nicht mehr hinreichend individuelle Stellungnahmen abzufragen. Angezeigter erscheint dagegen, Ergebnisse unterschiedlichster Einflußnahmen wahrzunehmen und zu verarbeiten.
Ein solches Ergebnis hat sich beispielsweise im einflußreichen Psychotherapeutengesetz (PsychThG) niedergeschlagen:
"Zur Ausübung von Psychotherapie gehören nicht psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben." (Psychotherapeutengesetz: §1 (3)).
Doch auch Gesetze sind veränderbar. Diese Bemerkung ist notwendig, denn seit fast 10 Jahren sind nicht nur die strukturellen Rahmenbedingungen für die Gruppenpsychotherapie erbärmlich, sondern die gesamte psychosoziale Gruppenarbeit wird durch ungünstige administrative Rahmenbedingungen erheblich in ihrem Erfolg beeinträchtigt.
Hier sei daran erinnert: Wenn von vornherein nicht an Sinn und Zweck einer Maßnahme geglaubt wird, wird der Erfolg der Maßnahme bereits im Vorfeld untergraben.
Es stellt sich die Frage, warum seit nunmehr fast 10 Jahren unter diesen Rahmenbedingungen gearbeitet wurde, ohne dass eine erfolgreiche Zustandsverbesserung realisiert werden konnte.
Immerhin ist auch in der soziotherapeutischen Arbeit bekannt, dass die Arbeit an der Struktur nicht vernachlässigt werden darf, damit effizienter und effektiver gearbeitet werden kann.
Doch nach dem (noch) gültigen PsychThG gehört die Überwindung sozialer Konflikte offenbar nicht zu den Aufgaben von Psychotherapeuten.
Da die zitierten Sätze des PsychThG sehr schwammig formuliert sind, ermöglichen sie diese Interpretation, die in den vergangenen Jahren zu traurigen Konsequenzen geführt hat. In der Rangliste der therapeutischen Angebote steht die psychotherapeutische Gruppenarbeit inzwischen recht weit unten. Entsprechend verringert hat sich der Status des medizinischen Gruppenarbeiters beispielsweise gegenüber des Behandlers mit psychotropen Medikamenten. Die schwache Situation der Gruppentherapie findet sich nicht nur in Yalom's wissenschaftlichen Untersuchung der amerkanischen Psychiatrien von 1983. In Deutschland ist die Soziotherapie heute aus der medizinischen Psychotherapie ausgelagert. Die Finanzierung innerhalb des Gesundheitssystems ist ein großes Problem. Die Finanzierung einzelner Gruppenangebote für schwerst kranke Menschen erfolgt inzwischen oft gar nicht mehr über die Krankenkassen (Gesundheitssystem), sondern erfolgt oft im Rahmen der Eingliederungshilfe durch Träger der überörtlichen Sozialhilfe.
Doch sind unvorteilhafte strukturelle Faktenlagen nicht unveränderlich. Und die Kombination von Unwissen und Antriebsschwäche gehört zu den bearbeitbaren Defiziten.
Es benötigt nicht viel zur Aufrichtung und zur Stärkung des Selbstbewußtseins. Wer das gruppendynamische Instrumentarium beherrscht, verfügt über ein wirksames soziotherapeutisches Repertoire. Doch sollte auch die Arbeit an der Strukur nicht vernachlässigt werden. Daher gilt es den hier analysierten Notstand zukünftig stärker zu thematisieren, so dass die erkannte Strukturschwäche beseitigt werden kann.
Literatur: Yalom, Yrvin D. (2005) Im Hier und Jetzt. Richtlinien der Gruppenpsychotherapie. (1983) btb-Verlag.

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