Donnerstag, 28. Dezember 2006

Musik als Symbol für soziale Differenzierung

Bei der Entwicklung von Lebensstil bietet Musik nicht nur eine ästhetische Ausdrucksform. Der eigene Musikgeschmack kann auch zur Selbststilisierung und zur sozialen Abgrenzung genutzt werden. Professor Burkhard Hill zeigt die Bedeutung von Musik und Mode für den Prozess der Individuation auf.

In 'Soziale Kulturarbeit und Musik' (2004, 83-100) befasst sich Burkhard Hill mit Aspekten von Musik im Alltag, die der Beachtung wert sind:

a) Musik als Symbol für soziale Differenzierungen
b) Musik als Medium für sozialintegrative Prozesse


Soziokultur ist ein Begriff aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der das Soziale und das Kulturelle vereint. Anhand der Soziokulturellen Zentren beschreibt Burkhard Hill, wie Autonomiebestrebungen und jugendliches Selbstbewusstsein in alternativen Nischen als Absetzungsprozess gegenüber einer Kultur mit bürgerlichen Werten realisiert werden konnten. Mit soziokulturellem Blick wird über die Veränderungen von Lebensbedingungen, Normen und Werte in den letzten 50 Jahren reflektiert.

Was zunächst als Absetzung einer sich entwickelnden alternativen Szene begann, etablierte mit nachhaltigen Veränderungen auch auf der politischen Ebene, beispielsweise in der Kulturförderung. Es folgte eine Professionalisierung mit vielschichtigen Konsequenzen.

Die Methoden der Sozialarbeit erweiterte sich um die Gemeinwesenarbeit beziehungsweise die sozialraumorientierte Stadtteilorientierte Arbeit mit Prinzipien wie Aktivierung und Beteiligung von Stadtteilbewohnern, Demokratisierung, Lebensweltbezug, etc. Burkhard Hill zeigt auf, dass die Abgrenzungsbemühungen sowohl auf politischer wie auf kultureller Ebene erfolgten.

"Der Gegensatz zwischen dem Schönen und Guten und dem Trivialen sollte überwunden werden. Kulturelle Eigentätigkeit und Demokratisierung von Kultur wurden zu wichtigen Bestandteilen der Programmatik." (Hill, 2004, 88).

Erreicht wurde dann auch die Förderung alternativer Projekte (Stichwort Stadtteilorientierte Arbeit). Finanziert wurden Strassenfeste im Stadtteil, Musikwettbewerbe, Auftrittsmöglichkeiten und Musikproduktionen für populäre Musik, etc.

Bezugnehmend auf Pierre Bourdieu (Die feinen Unterschiede) erläutert Burkhard Hill einige theoretische Grundlagen, vor deren Hintergrund einschneidende sozialpolitische Änderungen erreicht werden konnten. Hierzu gehört beispielsweise die Ansicht, dass ästhetischer 'Geschmack' nicht nur dem Genuß dienen kann, sondern auch der sozialen Selbstplazierung. Die musikalische Orientierungen bietet Identifikationsmodelle. Sie ermöglichen es, sich abzugrenzen und sich sich von anderen zu unterscheiden. Zunehmend ermöglichten Bildung, kulturelle Teilhabe und der kulturelle Habitus einen sozialen Aufstieg, unabhängig von sozialer Herkunft und finanziellen Möglichkeiten.

Die neue kommunale Kulturpolitik betrachtete die Teilhabe am kulturellen Leben als notwendiges Lebenselement und verankerte dies im Sozialgesetzbuch.

Die Selbstfindung und die Selbstverwirklichung beschreibt Hill zunächst als Ausformung einer kollektiven Identität. „… im Kontext sozialer Beziehungen geht es besonders um die Symbolisierung gemeinsamer Orientierungen im Sinne einer kollektiven Identität.“ (Hill, 2004, 86) Doch dabei bleibt Burkhard Hill nicht stehen, der ab den 90er Jahren eine voranschreitende Tendenz der Pluralisierung der ästhetischen Ausdrucksformen identifiziert. Dabei sei auch die soziale Segmentierung vorangeschritten und die Vielfalt der Lebensstile und Orientierungen sei unüberschaubar geworden (vgl. Hill, 2004, 87).

In der pluralisierten Alltagskultur stellen sich demnach Fragen nach Sinn und Orientierung im veränderten kulturellen Kontext. Wie werden die Lösungen der Jugendlichen im 21. Jahrhundert aussehen?

Richten wir diese Frage an den Text von Burkhard Hill, kann erkannt werden, dass dieser weiterhin auf das ’gemeinsame Tun’ verweist.

Quelle:
Hill, Burkhard (2004) Soziale Kulturarbeit und Musik. In: Hartogh, Theo; Wickel, Hans Hermann (hrsg.) Handbuch Musik in der Sozialen Arbeit. Weinheim: Juventa, S.83-100.

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